Transodra Online
Znajdziesz nas na Facebooku

Was für ein Museum braucht Chojna?

Die in dem Titel formulierte Frage beinhaltet die Antwort auf eine andere Frage, die mehr selbstverständlich wirken mag: Braucht Chojna überhaupt ein Museum? Ich bin ein Historiker und für mich kann es nur eine Antwort geben. Ich habe auch mal in Chojna gewohnt und komme oft in die Stadt zurück. Deshalb betrachte ich Chojna nicht distanziert und antworte mit „ja“. Also habe ich vorausgesetzt, daß es keinen Sinn hat, über das Selbstverständliche zu schreiben und mache einen Schritt nach vorne und versuche den Einwohnern – den Lesern vorzustellen, welche Einrichtung ich im Sinn habe.
Ein Stadtmuseum hat schon mal in Chojna, wenn auch nur sehr kurz, existiert. Gegründet wurde es am 08 August 1920 und hat vielleicht bis zum Kriegsende gearbeitet. Seinen Platz hatte es in den drei Sälen des damaligen Stadtgefängnisses und umfasste Exponate aus der Vorgeschichte bis in die Gegenwart. Wenn man zu den Beständen des Museums die des Stadtarchivs dazu tut, dann sieht man, daß der Historiker vor dem Krieg grundlegendes und komplexes Quellenmaterial zur Verfügung hatte, um die Geschichte der Stadt und der Region zu rekonstruieren. Es ist eine Binsenwahrheit, die aber genannt werden sollte, daß nämlich der Zweite Weltkrieg Schäden verursachte, die aus unserer Sicht zwar nicht wiedergutzumachen sind, aber vielleicht ist es möglich sie zu nivellieren.

Hier zeichnet sich die erste Aufgabe ab, die dem Museum gestellt werden sollte: der Versuch das Quellenmaterial zur Geschichte der Stadt Chojna zu rekonstruieren. Das kann man dadurch erreichen, daß man um die Kopien sämtlicher Dokumente bittet, die sich sowohl in Institutionen als auch in privater Hand befinden und den Antiquitätenmarkt nach den Originalen durchforscht. Vielleicht gelingt es möglichst viel von dem, was die Stadt betrifft, an einem Ort anzusammeln. Es ist schwierig abzuschätzen, welchen Umfang solche Maßnahmen annehmen könnten, aber – zum einem als ein Wissenschaftler und zum zweiten als Sammler, der sich für alles interessiert, was Chojna betrifft – kann ich behaupten, daß es technisch relativ einfach durchzuführen wäre.

Die Gegenwart wird schon morgen zur Vergangenheit, deshalb sollte das Festhalten der Geschichte in der Zeit, in der noch ihre Zeugen leben, die zweite Priorität des Museum sein. Das Bewahren der materiellen Spuren heutiger Realität für die zukünftigen Generationen sollte geradezu unsere Pflicht sein. Wenigstens dafür, damit zukünftige Historiker nicht vor dem gleichen Problem stehen, wie die Historiker von heute, die über die Geschicke von Chojna aus dem Mittelalter oder der Neuzeit schreiben möchten. Das Museum sollte Werke lokaler Künstler, Zeitzeugnisse und sämtliche Dokumente aus dem Leben der Gesellschaft sammeln.
Es scheint, daß eine interessante Aufgabe, vor die eine solche Einrichtung gestellt werden würde, die Spezialisierung auf die Region wäre. Um ein Beispiel zu nennen: In der Stadt- und Wojewodschaftsbibliothek in Gorzow (Landsberg) befindet sich eine für ganz Polen einzigartige Sammlung der Neumark-Kartographie. Warum sollte ein gut geführtes Chojna-Museum sich nicht einem anderen Gebiet zuwenden: der Neumark-Ikonographie?

Kein Museum kann seine Rolle erfüllen, wenn seine Bestände nicht in irgendeiner Weise den anderen zugänglich gemacht werden. Also müssen sie dementsprechend bearbeitet und vor allem den Einwohner zugänglich gemacht werden. Der Aufbau eines modernen Museums ist eine Herausforderung, die Weitsicht verlangt. Das Wissen über eine Stadt muß professionell weitergegeben werden, aber auch attraktiv, so daß auch junge Leute angesprochen werden. Das Museum sollte also nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine Bildungseinrichtung und eine Stütze für die Lehrer sein. Das wird ohne Zweifel der Integration der lokalen Gesellschaft dienen und die lokale Identität wecken.
Die Aufgaben, die das Museum erfüllen sollte, also die Attraktivität für die Besucher, die ich schon oben erwähnt habe, und die entsprechend vorbereiteten Räumlichkeiten sind die grundlegenden Voraussetzungen, aus denen resultiert, daß Chojna so ein Museum braucht. Eine Heimatstube oder ein touristischer Infopunkt können nur ein Ersatz sein, und werden zusätzlich durch Vereinfachung und Wiederholen der allgemeinen „Wahrheiten“ dem Wissen über die Lokalgeschichte mehr Schlechtes als Gutes tun. Außerdem sind die Bedeutung der Stadt, ihre Position in der Geschichte, die unbedingt herausgestellt werden muß, und die Vielfalt des kulturellen und politischen Lebens, weitere Argumente dafür, daß diese Initiative ernsthaft fortgeführt werden sollte.
Sogar dieser kurze und allgemeine Überblick zeigt, daß die Stadt allein solch ein ehrgeiziges Projekt nicht tragen kann. Umso mehr, weil es dringendere und wichtigere Belange gibt als die Kultur. Es kann helfen - natürlich im rechtlich zugelassenen Rahmen und mit gutem Willen und bestimmte Bedürfnisse der Stadt berücksichtigend - das Museum als einen Teil des touristischen Angebots zu sehen. Ein Problem ist die Finanzierung, aber auch geeignete Räumlichkeiten (drei Säle im Rathaus wären zu wenig.) Das zeigt, daß die geeigneten Mittel außerhalb des Stadtbudgets gefunden werden müssen, vielleicht auch in europäischen Fonds. Es ist mir bewußt, daß die Gegner „weicher Fördergelder” Einspruch erheben werden, „es ist besser nichts zu machen, als es mit EU-Mitteln zu finanzieren”. Ich vertrete jedoch die Position, daß es die Hauptrichtung sein sollte, in der sich die Gedanken der Entscheidungsträger bewegen sollten. Natürlich unter der Bedingung, daß die Idee an sich von der Öffentlichkeit akzeptiert wird.
Radosław Skrycki

Der Autor ist Doktor der Geschichte, angestellt im Institut für Geschichte und Internationalen Beziehungen der Universität in Szczecin. Organisiert seit zwei Jahren wissenschaftliche Tagungen zur Geschichte von Chojna und Umgebung, redigiert die dazu erscheinenden Publikationen.
("Gazeta Chojeńska" Nr. 44 vom 28.10.2008)


Ein Museum in Chojna

Mit großer Genugtuung hatte ich vor vier Wochen den Text von meinem Freund Radosław Skrycki in der „Gazeta Chojeńska” zum Thema Museum in Chojna gelesen. Ähnlich wie er finde ich, daß die Notwendigkeit der Museumsgründung außer Frage steht. Die Stadt Chojna muß, wie viele andere Orte unserer Region, auf Grund ihrer glorreichen Vergangenheit ein Museum haben. Die Stadt, die im Süden der Wojewodschaft liegt, die früher Wojewodschaft Szczecin und heute Westpommern heißt, wurde nach 1945 künstlich Pommern angegliedert. Bis dahin war sie seit dem 13.Jahrhundert neben Myślibórz (Soldin) und Gorzów (Landsberg) eine der Hauptstädte von Ostbrandenburg, der sogenannten Neumark. Die Bestände der Museen und Archive, die in dieser Region existierten, wurden durch die Kriegshandlungen und die damit zusammenhängenden Plünderungen zerstreut. Die Maßnahmen der polnischen Regierung, die nach dem Krieg den Mythos des „Wiedergewonnenen Landes“ verwendete (ein Mythos, der sich nur auf die polnische/pommersche/slawische Vergangenheit dieser Gebiete bezog), führten dazu, daß die Zeugnisse der Neumärkischen Vergangenheit fast gänzlich verloren gegangen sind, weil diese Vergangenheit mit Brandenburg und Preußen verbunden war und sie die Ikonen des deutschen Drangs nach Osten waren. Die Polen haben sich aus verständlichen Gründen über lange Jahre nicht für diese Hinterlassenschaft interessiert. Ein typisches Beispiel für diese Vorgehensweise ist die Kapelle der Templer in Rurka (Röricke), die ihrem Schicksal überlassen wurde, obwohl sie eines der in ganz Polen wertvollsten romanischen Architekturdenkmäler ist. Man sah in dem Objekt ein Symbol der antislawischen (also antipolnischen) Haltung.
Um auf den Artikel von R. Skrycki zurückzukommen, in dem er seine kühne Idee für eine museale Einrichtung vorgestellt hatte, eine Einrichtung, die in ihrer Tätigkeit die Funktion eines Museums und eines Archivs vereint (durch Ansammlung von Quellenmaterial) – ich stimme dem größten Teil seiner Vorschläge zu. Ich würde sie nur gerne ergänzen und auf eine zusätzliche Funktion des Museums hinweisen, die oft nicht wahrgenommen wird. Für die Mehrheit von uns, bedeutet ein Museum nur Säle, Ausstellungen, Vernissages, und damit verbundene meist gehobene Treffen. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Worin also sollte die Quintessenz des Museums für Chojna liegen, einer Stadt, die in solchem Maß von den Zeugnissen ihrer Vergangenheit beraubt wurde? Meiner Meinung nach besteht sie vor allem darin (und hier werde ich mich auf das Museumsgesetz berufen), Kulturgüter anzusammeln, zu katalogisieren, über gesammelte Exponate wissenschaftliche Arbeiten zu verfassen, die Exponate in entsprechenden Verhältnissen zu sichern und sie für die Wissenschaft und die Bildung zugänglich zu machen. Als Beispiel möchte ich das Museum des Warschauer Widerstands nennen, das von vielen kritisiert wird. Die Stärke dieses Museums liegt nicht in der Form der Ausstellung. Für viele Widerstandskämpfer ist es ein Ort, wo sie ihre seit vielen Jahren im Verborgenen aufbewahrten Schätze hinbringen und sie dort lassen können, mit der Hoffnung, daß sie dort aufbewahrt, gepflegt und zu wissenschaftlichen Untersuchungen freigegeben werden und somit ihre großen Taten nicht in Vergessenheit geraten. Chojna (und nicht nur sie) braucht so eine Einrichtung, damit wir die Möglichkeit haben, von uns gefundene und mit Liebe aufbewahrte Zeugnisse der Vergangenheit dorthin zu bringen. Zeugnisse der polnischen Vergangenheit: Gegenstände, die von hier sind oder aus allen möglichen Erdteilen nach 1945 hierhergebracht wurden, aber auch aus der deutschen Vergangenheit, um die sich schon niemand mehr kümmert. Es sollte ähnlich wie mit den Denkmälern der römischen Vergangenheit in West- und Südeuropa sein – dort werden sie mit großer Hingabe erhalten. In einem Museum werden alle Musealien gesichert, inventarisiert und bilden ein Allgemeingut. Deshalb müssen sich die Spender nicht sorgen, daß ihre Sachen verloren gehen oder gestohlen werden. Damit die Zeitzeugnisse nicht verloren gehen, sollte man schon heute daran denken – wie in Goleniów – ein Zentrum für die Dokumentation der Geschichte von Chojna und ihrer Region zu gründen. Eine Einrichtung, die anfangen würde, die Bestände zu sammeln und zu bearbeiten. Ohne Exponate wäre doch selbst das modernste Museum leer. In Zukunft würde das Zentrum dann ein Teil des Museums werden.

Ein Museum, das von der Selbstverwaltung getragen wird, ist für Chojna wohl die beste und wahrscheinlich die einzige Lösung. Die Selbstverwaltung als Hausherr der Region sollte Maßnahmen ergreifen, die zum Entstehen des Museums führen und die dem Museum langfristig und von der politischen Lage unabhängig finanzielle Mittel zusichern (zusätzlich auch eine administrative Unterstützung, die der Stadt keine Kosten verursacht). Heute gibt es mehrere Möglichkeiten eine Förderung zu bekommen, die den größten Teil der Unterhaltskosten des Museums abdecken könnten: reiche Stiftungen, Wojewodschafts-, ministerielle und EU-Fonds. Um sie zu bekommen, ist aber ein erster Schritt nötig: ein mutiges, zukunftsorientiertes Konzept, das am besten von einem Team erarbeitet wird, das aus Spezialisten und Regionalisten, z.B. Lehrern besteht, die die Bedürfnisse der Schulen der Region kennen.

Damit ein Museum in Chojna entstehen kann, ist nicht nur das Engagement der hiesigen Politiker nötig, sondern auch das der Bevölkerung. Beide tragen doch die Verantwortung für den Erhalt des Erbes der eigenen Region. In Bezug auf die Gesellschaft meine ich nicht die finanzielle Unterstützung, sondern die aktive Teilnahme an der Diskussion über das zukünftige Museum, das Spenden von Exponaten und das heute so populäre Volontariat. Das ist doch schon sehr viel. Ein modernes Museum wird sicher der Stolz der Stadt und seiner Stadtväter, ein kulturelles Mekka des südlichen Teils der Wojewodschaft, ein Ort der Begegnungen, Lesungen, Filmvorführungen, Tagungen, Gastausstellungen werden, die heute in vielen Orten nicht gezeigt werden können, weil es dort keine geeigneten Räume gibt. Dank des Museums, dank der wieder aufgebauten Marienkirche, aber auch anderen außergewöhnlichen Denkmälern, und auch der Naturschätze der Umgebung, wird Chojna ein Ort werden, an dem man gern verweilt, den man gern besucht und somit dort Geld läßt. Diese Entwicklung wird durch die Lage der Stadt begünstigt, da sich hier mehrere wichtige Wege kreuzen. Die von mir bereits oben erwähnten damaligen Metropolen der Neumark, Myślibórz (Soldin) und Gorzów (Landsberg), besitzen bereits Museen. Solche Einrichtungen befinden sich auch in vielen anderen Ortschaften der Region und es entstehen neue. Das neuste Beispiel kommt aus Goleniów (Gollnow) mit seinem Gelben Haus (Żółty Domek). Also höchste Zeit für Chojna.
Paweł Migdalski

Der Autor ist Stettiner Historiker, freier Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Internationale Beziehungen der Universität in Szczecin, Stellvertretender Vorsitzender des Vereins der Freunde des Zehdener Landes. Er beschäftigt sich mit Gedenkorten, Geschichtsschreibung, der Geschichte Pommerns und den slawisch-dänisch-deutschen Beziehungen. Autor u.a des Buches „... w tej strażnicy Rzeczypospolitej. Rejon Pamięci Narodowej Cedynia - Gozdowice - Siekierki” [Nationalgedenkensemble Cedynia - Gozdowice – Siekierki] (Szczecin-Poznań 2007) und von einigen Artikeln zur Geschichte von Cedynia (Zehden), Chojna (Königsberg N.) und der Region.
("Gazeta Chojeńska" Nr 48 vom 25.11.2008)


Reden wir über ein Museum

Die Brücke in Widuchowa (Fiddichow)
Fast vor 100 Jahren, am 1. Juni 1912, stellen die Stadtgemeinde und ihre Bürgerschaft von Fiddichow (heute Widuchowa) ein Bittgesuch zur Überbrückung der Oder an den Königlichen Staatsminister Herrn von Breitenbach. Gleichzeitig mit der Brücke fordern sie den Bau eines Straßendamms durch den Polder, der in die große Heerstraße Berlin-Stettin einmünden soll. Diese Straße verband sein Jahrhunderten Berlin mit Stettin und hatte in Preußen eine militärische Bedeutung. Die Bürger betonen, daß Fiddichow beim Eisenbahnbau von Stettin nach Küstrin keinen direkten Eisenbahnanschluß erhalten hat und die Oderregulierungsarbeiten den Frachtverkehr auf der Oder behindern. Das alles bremse das Geschäftsleben und bringe Verluste. Auf eigene Kosten lassen sie eine Dokumentation anfertigen, und stellen auch für den Brücken- und Straßendammbau eigene Mittel zur Verfügung, weil es für sie sehr wichtig ist, eine unmittelbare Verbindung zu den wichtigen Verkehrsadern zu erhalten.
Stellen wir uns nur vor, wie viele Gespräche sich jeden Tag beim Bäcker, Schlachter, in der Kneipe oder bei den Booten am Fluß um dieses Thema drehten ... Wer von den heutigen Bewohnern Widuchowas weiß, wie das Schicksal über den Antrag entschieden hat? Wahrscheinlich keiner. Darüber konnte man sich auf der Ausstellung „Brücken. Geschichte und Geschichten aus dem Unteren Odertal“ im Herbst 2008 im Stadtmuseum Schwedt informieren. Die Ausstellung wurde in Deutsch aufbereitet, so daß nicht alle Besucher des östlichen Oderufers von ihr vollständig profitieren konnten.

Wozu braucht ein Pole deutsche Anekdoten?
Ist einem dieses Wissen überhaupt heute nötig? Wozu genau dienen uns deutsche Anekdoten? Und wenn wir ein gebrauchtes Auto kaufen, ist es dann nicht wichtig, wer der Vorbesitzer war und was er mit dem Auto gemacht hat? Der Vergleich scheint zu hinken, ist aber im Grunde gar nicht so absurd. Lassen wir die die Geschichte der Piasten, die Geschichte der Piasten sein, aber die heutigen Bewohner stammen von weit her und wohnen in Gebieten, die einst von den Deutschen bewirtschaftet wurden, haben also „gebrauchte” Häuser, „gebrauchte” Wasser- und Meliorationsbauwerke übernommen und genauso „gebrauchte” Felder und Wiesen. Ich denke, daß das Wissen darüber niemandem schaden würde, wie die Menschen hier vor dem Zweiten Weltkrieg und noch früher gelebt haben. Ein paar Anekdoten würden uns helfen, sich noch mehr wie zu Hause zu fühlen. Müssen wir in diesem Aspekt von unseren deutschen Nachbarn abhängig sein? Oder können wir nicht selbst solch ein Wissen über unsere Wohnorte sammeln? Ich denke, wenn wir die gegenwärtigen Hausherren dieses Landes sind, ist das geradezu unsere Pflicht. Außerdem haben die neuen Grenzen die Vorkriegsgeographie in diesem Teil Europas verändert. Zum Beispiel befindet sich Chojna am Westrand von Polen und wird so von vielen gesehen, doch (spätestens nach dem Beitritt Polens in die EU) liegt es nicht mehr am „Ende der Welt”, sondern ist auch ein Tor nach Polen. Es ist wichtig, diese Tatsache jedem klarzumachen, der dieses Tor durchschreitet.

Amateur kontra Institution
Ich kenne viele Leute aus unserer Ecke an der Oder, die alte Postkarten ihrer Ortschaften sammeln. Einige besitzen eine wirklich imposante Sammlung und wissen vieles über die Geschichte ihres Dorfes oder ihrer Stadt. Das ist sehr wichtig, ersetzt aber nicht die Arbeit von Fachleuten, die sich damit beschäftigen sollten, Daten und Exponate zu sammeln, sie aufzuarbeiten, um sie einem breiten Publikum zugängig zu machen. Als jemand, der nicht in Chojna wohnt, beneide ich deshalb die Politiker und Bewohner der Stadt Chojna um einen Menschen wie Radosław Skrycki, der nicht nur Fachmann, sondern auch ein Liebhaber der Umgebung von Chojna ist. In seinem Appell „Was für ein Museum braucht Chojna” („GCh” Nr. 44 vom 28.10.08) stellte er mit großem Engagement ein Konzept vor, das einem dem Atem stocken läßt. Ja, ich bin der Ansicht, daß genau so ein Museum eine Stadt mit so einer interessanten Geschichte wie Chojna braucht. Ein Museum, das der Stolz der Bewohner und eine Visitenkarte für diese Stadt sein könnte, und gleichzeitig die Rolle einer Kultur- und Bildungseinrichtung spielen könnte. Das schafft nicht einmal eine mehrere tausend Postkartensammler starke Menschenmenge, eine aktive Bibliothek oder ein touristischer Informationspunkt.
Am Ende bleibt es mir und den übrigen Bewohnern der Region zu wünschen, daß sowohl Radosław Skrycki als auch Paweł Migdalski, der sich genauso enthusiastisch für ein Museum in Chojna aussprach, mit einem milden Auge auf die nicht aus Chojna stammende Aschenbrödel, zumindest aber auf Widuchowa schauen, und über die Eröffnung eines Museums für das Untere Odertal nachdächten.
Saba Keller (Widuchowa)
("Gazeta Chojeńska" Nr. 48 vom 13.01.2009)


Hat Chojna verdient, ein Museum zu haben?

Die Idee, ein Museum in Chojna zu gründen, hat bis jetzt keine Reaktionen der Stadtväter oder der Menschen in der Stadt, die für das Kulturleben der Stadt verantwortlich sind, hervorgerufen. Dafür aber großen Anklang bei den Spezialisten beiderseits der Oder gefunden. Dank ihnen ist sie im Programm einer dreitägigen Tagung der Regionalisten aus Polen und Deutschland aufgenommen worden. Die Tagung fand vom 18. Bis 20. Februar unter dem Titel „Vorwärts und nicht vergessen? Region, Geschichte und Zivilgesellschaft“ in Frankfurt an der Oder und Słubice statt. Der Veranstalter war das Institut für Angewandte Geschichte in Frankfurt. Unter den Teilnehmern war u. a. Prof. Robert Traba - Gründungsdirektor des Zentrums für Historische Forschung in Berlin. Um die Idee, ein Museum in Chojna zu gründen, den Teilnehmern näher zu bringen, wurde Dr. Radosław Skrycki von der Universität in Szczecin eingeladen. Ich möchte daran erinnern, daß er die Debatte mit seinem Text in der „Gazeta Chojeńska“ Nr. 44 vom 28. Oktober vergangenen Jahres („Was für ein Museum hat Chojna nötig?”) initiiert hatte. Auch die Verfasser der weiteren Beiträge zu diesem Thema, Paweł Migdalski – auch von Universität in Szczecin ("GCh" Nr. 48) und Saba Keller aus Widuchowa ("GCh" Nr.2 vom diesem Jahr), wurden eingeladen. Alle Beiträge, die bis jetzt erschienen sind, kann man auf der Internetseite unserer Zeitung finden (www.gazeta.chojna.com.pl/index.php?id=muzeum).

In dem selben Themenblock präsentierte Dr. Beata Halicka von der Europa-Universität Viadrina das Projekt des Odermuseums (das im mittleren Oderlauf entstehen soll). Andere Themen der Tagung und der Werkstätte in Frankfurt und Słubice waren: „Spurensuche in der Grenzregion”, „Histourismus – Die touristische Erschließung touristischer Themen”, „Flucht, Migration und Integrationspolitik“, „Sowjetische Hinterlassenschaften. Ein gemeinsames Tabu“, „Gemeinsam gegen Rassismus” und „Trabi oder Stasi? Die Erinnerung an DDR und VR Polen”. Die größten Diskussionen hat jedoch das Thema Museen hervorgerufen. Es gab auch mehre Stimmen, die behaupteten, daß in Chojna sogar ein Museum der Neumark entstehen soll und nicht bloß eine kleine lokale Einrichtung. Was die formelle Seite betrifft, so scheint es, daß nur ein einziges Museum real ist, das mit Mitteln der Stadt finanziert wird, weil es eher aussichtslos ist, auf Staatsmittel zu zählen und ein Museum, das von privaten Mittel getragen werden kann, wohl nur theoretisch möglich ist.

Bis jetzt haben sich zum Thema eines möglichen Museums in Chojna nur Personen geäußert, die nicht mit unserer Gemeinde verbunden sind, was ziemlich peinlich ist und der Stadt kein gutes Zeugnis gibt (dazu zählt auch die starke Gruppe der Lehrer, die – wie gewöhnlich – taub und stumm ist). Im Endeffekt gibt es hier bis jetzt nicht mal eine kleine Heimatstube, obwohl es solche in viel kleineren Gemeinden gibt. Die Debatte über das Museum in Chojna ist nötig, auch eine kritische. Alle solche Initiativen sollten gewürdigt werden, besonders, da es sie in der Stadt selbst nicht gibt (z.B. zur Frage, wie in der Zukunft das riesige Bauwerk, die Marienkirche, die gerade wiederaufgebaut wird, genutzt werden soll – das könnte vielleicht ein guter Ort für u.a. ein regionales Museum sein). Währenddessen scheint Chojna – ähnlich wie ganz Polen – von einer Umfragedemokratie betroffen zu sein: die Entscheidungsträger beschäftigen sich nur damit, was ihnen die Stimmen der Wähler bringen kann. Dieses Problem, das in einer solchen Einstellung der Politiker zur wahren Kultur zum Ausdruck kommt, besteht in vielen anderen Gemeinden, aber das ist ein schwacher Trost. Eine andere Sache ist, daß ein Teil der Stadtabgeordneten das Kulturzentrum kritisiert, aber nur unter dem Aspekt der dort beschäftigten Personen. Über das Modell der Kultur in der Gemeinde und der nötigen Änderungen sollte man sprechen, aber es sieht nicht seriös aus, wenn Stadtabgeordnete das Kulturzentrum kritisieren, aber (bis auf einige Personen) an den Veranstaltungen selbst nicht teilnehmen!
Bisher sollte man die Frage „Was für ein Museum hat Chojna nötig” wohl durch eine andere ersetzen: „Verdient Chojna ein Museum?”. Es sei denn, verantwortungsvolle Menschen werden aufwachen und sich der Idee annehmen und beweisen, daß die Sorge um die lokale Identität der Einwohner und unsere tiefere Verwurzelung in diesem Land keine leeren Floskeln sind.
Robert Ryss
("Gazeta Chojeńska" nr 8 z 24.02.2009)


Chojna verdient ein Museum

Es scheint eine rhetorische Frage zu sein, besonders im Hinblick auf die Arbeitstreffen, die wegen der zu erarbeitenden Entwicklungsstrategie der Gemeinde stattfinden. Die Hauptrichtung dieser Entwicklung sollte der Tourismus sein. Nun wird dem Touristen bloß Essen und Trinken nicht reichen. Er verlangt, daß man sich die Mühe macht, sein Interesse zu wecken. Darüber hinaus kann man es nicht leugnen, daß Chojna schon selbst ein großes Museum ist, wenn man die originalen, mittelalterlichen Architekturdenkmäler im Stadtzentrum berücksichtigt. Diesen Vorteil sollte man soweit nutzen, wie es nur möglich ist, da es eine Eigenschaft ist, die unsere Stadt von anderen Städten in Polen und Deutschland abhebt. Es würde doch reichen, diesen Denkmälern eine „administrative Form” zu verschaffen.

Ich stimme der Meinung zu, die in der letzten Ausgabe der Zeitung („Verdient Chojna ein Museum?“) vorgestellt wurde, daß besonders die Stadtväter ein großes Interesse an der Gründung und dem Unterhalt eines Museum haben sollten. Wenn ich Einfluß auf den Standort dieser Einrichtung hätte, würde ich alle sich in der Nachbarschaft des Bernickower Tores befindende Objekte als Ausstellungsorte nutzen – nicht nur das Tor selbst. Das würde die thematische Einordnung der Museumsbestände vereinfachen. Es ist nicht leicht, die vielen Leitfäden zusammenzubringen, die die Geschichte der Stadt ausmachen. Ich hätte es unbedingt durchgesetzt, daß es einen geschichtlichen Lehrpfad entlang der Mauer gäbe, der den Touristen die interessanten Befestigungsanlagen zeigen und ihn auch einladen würde, die anderen noch erhaltenen Wachtürme zu besichtigen, die heute sehr schwach präsentiert werden und die in weitere Flächen für Ausstellungsstücke umgewandelt werden könnten.

Ein solches Museum müßte den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht werden und multimedial sein. Heutzutage reicht die Idee einer Reihe von Schaukästen – wie das auf dem Wanderweg des Nationalen Gedächtnisses der Fall ist, nicht mehr aus, um wahres Interesse zu wecken. Alles sollte beweglich sein, durchdrungen von Klängen, damit die Informationen dem Betrachter interaktiv vermittelt werden. Das hat man sehr gut im Museum des Warschauer Widerstandes in Warschau und im Jüdischen Museum in Berlin umgesetzt. Natürlich alles in dem für Chojna richtigen Maß. Die Räumlichkeiten an der Stadtmauer und in den Stadttoren sind dazu ausreichend. Der Marienkirche hätte ich gestattet, ihr eigenes ökumenisches und künstlerisches Leben zu führen, das durch die mit ihr verbundenen Ausstellungen und Initiativen dokumentiert würde.
Es wäre ideal, wenn dort interaktiver Unterricht stattfinden würde, der den Teilnehmern erlauben würde, sich mit altem Handwerk zu befassen. Ein Angebot auf Englisch hat jetzt die Attraktivität des Museums in Szczecin gesteigert. Auch im Altranft auf der deutschen Seite der Grenze werden diese Erkenntnisse mit Erfolg umgesetzt.

Also, Herr Redakteur, die Einwohner von Chojna haben ohne Zweifel ein Museum verdient, auch wenn sie sich noch nicht trauen wollen, darüber zu träumen. Sie sollten aber den Mut aufbringen, wenn sie eine touristisch orientierte Gemeinde sein möchten.
DoDoHa
("Gazeta Chojeńska" Nr. 9 vom 03.03.2009)


Oder im Netz

Die Oder wurde in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts vor allem als Grenzfluß betrachtet, als Symbol der Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst nach Öffnung der Grenzen am Ende des letzten Jahrhunderts und mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union hat sich dieser Zustand verändert. Die Oderregion, die viele Jahrzehnte lang westliche Provinz Polens und östliche Deutschlands war, verschob sich damit (zumindest geographisch) ins Zentrum Europas.
Haben die Änderungen der politischen Karte Europas bewirkt, daß wir aufhörten Provinz zu sein? Die Tatsache, daß wir jemanden oder uns selbst als Provinzler wahrnehmen, hat immer einen subjektiven Charakter und kann auch ein Ausdruck des Denkens in Stereotypen über andere oder der Ausdruck eigener Komplexe sein. Im globalen Dorf, zu dem unserer Planet geworden ist, verrät der Wohnort schon lange nichts mehr über die Horizonte des Denkens eines bestimmten Menschen.
Etwas anderes ist es, eine Region als eine Provinz zu sehen. Auf diese Wahrnehmung kann man bestimmte Kriterien beziehen, die davon zeugen, inwiefern eine konkrete Region Schritt mit den wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Trends halten kann, die allgemein mit dem Fortschritt in Verbindung gebracht werden. Natürlich sind die Kriterien meistens fließend und dieser Artikel hat nicht zum Ziel sie zu konkretisieren. Viel interessanter ist es zu schauen, wie die Bewohner der Oderregion – die jahrzehntelang als Provinz gesehen wurde – mit dieser Stigmatisierung zurecht kommen und welche Schritte sie einleiten, um das zu ändern. Ohne Zweifel ein breites Thema, das mehrere Forscher inspirieren könnte. Ich jedoch möchte mich auf die kulturellen Initiativen konzentrieren, die sich der Geschichte der Region und der Heimatorte widmen und die ein Beweis sind für den Aufbau der regionalen Identität und die dazu dienen sollten den Komplex des Provinzialismus zu überwinden.

Seit zwei Dekaden kann man in den Städten, Städtchen und Dörfern Westpolens eine Hinwendung zur Regionalgeschichte beobachten. Gewöhnlich beginnt das mit Publikationen, eventuell mit Ausstellungen alter Postkarten und Bilder der Ortschaften. Die Zahl der Andenkensammler und anderen Interessierten wächst mit der Zeit, so daß immer neue Ausstellungen und Feste organisiert und Broschüren und Publikationen herausgegeben werden. Weil das Initiativen von der Basis sind, hängen ihre Intensität und ihre Akzente von Einflüßen, Meinungen und dem Durchsetzungsvermögen einzelner Personen ab, aber auch von der Einstellung der Lokalpolitik, die sich meist an diesen Initiativen beteiligt. Einige Akteure in diesen Bemühungen sind auch ehemalige deutsche Einwohner. Ihre Teilnahme hängt jedoch von den persönlichen Konstellationen und der Überwindung der Sprachbarriere ab. Ich werde mich bemühen, an einigen Beispielen von Städten der Oderregion zu zeigen, wie das in der Praxis aussieht. Ihre Verbindung mit der Oder ist nicht zufällig und resultiert aus Forschungen, die ich im Rahmen des Projektes "Odra-Oder" an der Universität Viadrina in Frankfurt/O. durchführe.
Einer der Bestandteile des Projektes war die Initiierung der Zusammenarbeit mit den Museen der Städte der Oderregion mit dem Ziel, eine Ausstellung vorzubereiten . Die Ausstellung mit dem Titel "Oder-Panorama - Panorama Odry" wird seit 2006 in der Region gezeigt. Am Ende ist sie als Dauerausstellung in Frankfurt oder Słubice geplant, und soll eine Grundlage für das geplante Oder-Museum bilden. Die sich in der Region befindenden Museen und Heimatstuben spielen eine bedeutende Rolle in der Verbreitung des Wissens über die Regionalgeschichte. Ihr Erfolg hängt von dem Engagement und der Kompetenz der einzelnen Akteure ab, vor allem aber von der Fähigkeit, aus einem Museum einen für Besucher attraktiven Ort zu machen und davon, daß eine möglichst große Zahl von Einwohnern miteinbezogen wird.

Unter den Städten der Oderregion hebt sich zweifelsohne Nowa Sól (Neusalz) ab – eine Industriestadt, eine der jüngeren in der Region, deren Anfänge kaum ins 16.Jahrhundert zurückreichen. Heute ist es eine Ortschaft mit über 40.000 Einwohnern und einem sich dynamisch entwickelnden Stadtmuseum, das außer als Ausstellungsort auch als Bildungseinrichtung und Verlag fungiert und in seine Arbeit den ganzen Landkreis miteinbezieht. Die Museumsangestellten nehmen aktiv am kulturellen Leben der Region teil, und die von ihnen verfaßten Bücher und Artikel in der Regionalpresse wirken auf die Bildung der regionalen Identität der Einwohner ein. Das Museum bereitete als einer der ersten in der Region noch in den 90er Jahren eine Ausstellung zur deutschen Geschichte der Stadt vor, die man sich bis heute anschauen kann und die ein Vorbild für die anderen Städte wurde. Gespräche vermitteln den Eindruck, daß die Entdeckung der Stadtgeschichte sich ohne prägnante Teilnahme der alten Einwohner von vor 1945 vollzieht. Es ist schwierig, das Zusammenspiel zu werten, weil es von individuellen Einstellungen der Menschen abhängt, die bei dieser Zusammenarbeit mitwirken.

Eine beschämende Vergangenheit oder ein Reichtum?
Ähnliche Einstellungen zur Stadtgeschichte finden wir auch in Krosno Odrzańskie (Krossen), das wiederum zu einer der ältesten Städte Polens gehört, und im Besitz der Stadtrechte seit dem Anfang des 13.Jahrhundert ist. Seine erste historische Erwähnung stammt aus dem Jahr 1005. Dieses Städtchen an der Mündung der Bober in die Oder war eine der ersten Burgen des Piasten-Staates, und der schlesische Fürst Henryk Brodaty errichtete hier ein steinernes Schloß. Aus der Initiative der Einwohner und durch die Unterstützung der Politik gelang es einen Teil der Ruine des 1945 zerstörten Schloßes wiederaufzubauen. Als erster Teil wurde das Schloßtor der Nutzung übergeben und dort ein Minimuseum eingerichtet, in dem man sich alte Stadtansichten mit der herrlichen Barockarchitektur des Marktes anschauen konnte. Die Ausstellung weckte ein großes Interesse unter den Einwohnern, die spontan in das Schloß auf dem Dachboden gefundene Andenken und sogenannte nach-deutsche, also aus der deutschen Vergangenheit der Stadt stammende Sachen brachten, aber auch Dinge, die die Polen aus dem Osten mitgebracht hatten. Die Schloßruine wurde ein Ort für zahlreiche Kulturveranstaltungen, was die Notwendigkeit deutlich machte, daß auch weitere Räume im Schloß renoviert und zu Verfügung gestellt werden sollten. Der Stadtverwaltung gelang es, weitere Mittel zu bekommen und weitere Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen. Im Frühling 2008 fand die Eröffnung des ältesten Renaissance-Flügels des Schloßes und der alten Schloßkapelle statt. Nach der Renovierung begann eine Diskussion, womit die Museumsräume gefüllt werden und welche Veranstaltungen in dem Konzertsaal stattfinden sollten. In Krosno nennen alle das Schloß das Schloß der Piasten, weil seine Fundamente der schon erwähnte Henryk I gelegt hatte. Im Keller haben sich alte gotische Gewölbe aus seiner Zeit erhalten. Der ganze Rest des Schlosses ist jedoch das Werk der Witwen der brandenburgischen Markgrafen, die seit 1571 hier ihre Residenz hatten. Den ältesten Renaissance-Teil verdanken wir der Fürstin Katharina (1518-74) – der Frau von Johann von Brandenburg-Küstrin. Die gerade fertig renovierte Schloßkapelle wurde erbaut im Auftrag von Elisabeth Charlotte – der Prinzessin von der Pfalz (1597-1660), die Mutter von Friedrich Wilhelm, dem bekannten großen brandenburgischen Kurfürsten.
Ich habe oft den Eindruck, daß die deutsche Vergangenheit in Krosno als unrühmlich angesehen wird, als ein Ballast, mit dem man nichts anzufangen weiß. Der nationale Patriotismus, in dessen Geist wir erzogen wurden, verlangt, daß wir das betonen, was polnisch ist. Daraus resultiert die Tatsache, daß in Krosno die Piasten-Vergangenheit so populär ist. Man kann aber gleichzeitig ein polnischer Patriot und ein Lokalpatriot sein, der sich stark für seine Heimat interessiert und einsetzt. Wenn wir also in unserem Wohnort Spuren einer uns fremden Kultur vorfinden, und es dazu noch eine Hochkultur ist, die das Ergebnis verschiedener Einflüsse und der Arbeit verschiedener Künstler ist, dann sollten wir es als ein europäisches Erbe behandeln. Einige dieser Künstler, die hier vor Jahrhunderten lebten, sind nicht nur mit der deutsch-preußischen Architektur verbunden, sondern auch mit der italienischen Renaissance, mit dem Barock der Habsburger und den Stilen der anderen Epochen. Ist das also kein Reichtum, was wir von den früheren Generationen überlassen bekommen haben? In kleinstädtischen Gesellschaften macht das Aneinanderreiben von Partikulärinteressen es nicht möglich, eine Strategie zu erarbeiten, die sich in einer komplexen Art und Weise mit der Darstellung der Stadt- und Regionsgeschichte befassen würde.

Mit ähnlichen Problemen, die die verschiedenen Ansichten betreffen, wie man die Geschichte darstellen kann und wie sie den Aufbau einer regionalen Identität beeinflußt, hat die Mehrzahl der Städte in der Oderregion zu kämpfen. Die Auseinandersetzungen betreffen entweder einzelne Interessengruppen oder die Vereine können für ihre Ideen die Kommunen nicht gewinnen und haben damit für weitere Initiativen die Hände gebunden. Um diesem Problem entgegenzukommen hat das in der Frankfurter Universität angesiedelte Institut für Angewandte Geschichte (www.instytut.net) im Februar die Konferenz "Vorwärts und nicht vergessen ? Neue Zugänge zur Geschichte im Lebuser Land und in Brandenburg" organisiert (siehe "GCh" Nr. 8), an der über 100 Regionalisten von beiden Seiten der Oder teilnahmen. Die Konferenz gab während thematischer Workshops die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und für intensive Diskussionen. Eine widmete sich dem neuen Konzept der Regionalmuseen. Unter dem Stichwort "Renaissance des Museums" wurde u.a. über die Notwendigkeit einer besser koordinierten Zusammenarbeit der Museen und Heimatstuben an der Oder und über das Erarbeiten eines gemeinsamen touristischen Angebots diskutiert. Man sprach besonders über die Infrastruktur des Wassertourismus und über Gruppen, die die Oder entlang reisen, an einzelnen Ortschaften Halt machen könnten, um dabei ein kulturelles Angebot zu suchen und die Möglichkeit, sich mit der Geschichte und den Besonderheiten des besuchten Ortes vertraut zu machen.
Außer den schon bereits erwähnten Städten wurden Słubice und Frankfurt vorgestellt, die sich gemeinsam bemühen, touristisch immer attraktiver zu werden, dabei aber gleichzeitig in den jeweiligen, wie es scheint selbstverständlichen Bereichen Mängel haben, wie zum Beispiel der Zweisprachigkeit der Ausstellungen in den Museen. Es zeigt sich, daß die Notwendigkeit mit einem Kulturangebot an die Bewohner von Słubice und Umgebung heranzutreten im Falle des Viadrina-Museums in Frankfurt/O. zwar gesehen, aber nicht nur aus finanziellen Gründen nicht realisiert wird. Ähnlich verhält es sich in dem außerordentlich interessanten Museum in Bad Freienwalde. Die Ausstellung, die die Geschichte der Trockenlegung des Oderbruchs und das Leben seiner Einwohner zeigt, ist leider nur wenigen Polen bekannt.

Mit dem Museum in Chojna wird die Lücke im Begreifen der Region als Ganzes geschlossen
Die Einwohner solcher Städte wie Cedynia und Chojna können sich nicht beklagen, daß sie zu wenig Gäste von jenseits der Oder haben. Ihre historischen und touristischen Besonderheiten als auch die zahlreichen gemeinsamen polnisch-deutschen Initiativen, wie zum Beispiel der mehrere Jahre andauernde Wiederaufbau der Marienkirche in Chojna, haben sie auf beiden Ufern des Flußes berühmt gemacht. Auf der Konferenz wurde das Projekt vorgestellt, ein Museum in Chojna zu gründen, das sich nicht nur mit der Geschichte der Stadt beschäftigt, sondern mit der ganzen Region Neumark, dessen Hauptstadt Chojna in der Vergangenheit war. Die Gründung eines neuen Museums ist zweifelsohne ein schwieriges Unterfangen und bedarf eines gewaltigen Engagements der Ideengeber und – und das möglicherweise ist noch nötiger – Verständnis und Unterstützung der Lokalpolitik. Im geplanten Netzwerk, das Museen und die touristischen Attraktionen an der Oder umfassen wird, wird Chojna ohne Zweifel eine bedeutende Rolle spielen und es wäre lohnend, daß die Hauptattraktion der Stadt – die Marienkirche – ergänzt würde durch eine kompetente und fundierte Geschichtsausstellung, so daß die Lücke im Begreifen der Region als Ganzes geschlossen werden würde.
Im Interesse der Regionalisten, aber vor allem der Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden an der Oder sollte es liegen, ein gemeinsames touristisches Angebot zu erarbeiten und die Oder als Wasserweg zu bewerben, weil sie ohne Zweifel eine Attraktion von europäischem Maßstab ist. Es wäre gut, wenn damit einhergehen würde, dem isolierten Handeln abzuschwören und sich das Denken in regionalen Kategorien durchsetzt, so daß jedes Handeln als ein Teil des Ganzen verstanden würde. Nur im Netz, nur mit der Oder im Netz haben wir eine Chance im globalen Dorf wahrgenommen zu werden.
Beata Halicka

Dr Beata Halicka – Germanistin und Kulturkennerin, Studium in Zielona Góra, später Doktorat an der Hochschule Vechta (Deutschland), seit 2003 verbunden mit der Europa-Uni Viadrina in Frankfurt/O. . Autorin von drei Monographien, darunter das zweisprachige Buch. "Krosno Odrzańskie/Crossen an der Oder 1005-2005. Wspólne dziedzictwo kultury/Das gemeinsame Kulturerbe". Ist zusammen mit Prof. Karl Schlögel Redaktor der Publikation "Odra-Oder. Das Panorama eines europäischen Flußes" (polnische Ausgabe Skórzyn 2008, deutsche Ausgabe Berlin 2007), die im Rahmen des Projektes "Odra-Oder. Die Oderregion in Europa. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft" durch den Lehrstuhl für Osteuropageschichte herausgegeben wurde, www.kuwi.euv-frankfurt-o.de/de/lehrstuhl/kg/osteuropa/projekte/odraoder/index.html
("Gazeta Chojeńska" Nr. 10 vom 10.03.2009)


Kann sich Chojna ein Museum leisten, und wenn ja, was für eins?

Es besteht kein Zweifel, daß eine Stadt wie Chojna mit so einer reichen Geschichte und mit derartigen Baudenkmälern des Mittelalters ein Museum haben sollte. Natürlich wäre es günstig, wenn es ein Museum der ehemaligen Neumark werden würde (schon deshalb weil Chojna, also Königsberg/Nm. einst die ungeschriebene Hauptstadt dieser Provinz und ihre größte Stadt war.) oder mindestens ein kommunales Regionalmuseum für Chojna und Umgebung. Als Liebhaber dieses Ortes und seiner einzigartigen historischen Gebäude und auch als ehemaliger Bewohner von Chojna bin ich ganz besonders für sein Entstehen. Es kommen mir allerdings Zweifel ökonomischer Natur und es stellt sich eine damit verbundene Frage: Kann sich Chojna ein kommunales Museum leisten, wenn sich das Land in einer wirtschaftlichen Krise befindet? Ich fürchte, daß das lange nicht möglich sein wird.

Wenn solch ein Museum nicht in den fetten Jahren der 90er Jahre entstanden ist (Einnahmen aus dem Markt in Krajnik Dolny), dann bezweifele ich, daß Gelder des heute von den Stadtverordneten so penibel aufgeteilten und nicht großen Stadtbudgets in die Gründung eines Museums gesteckt werden würden und nicht in die Verhinderung einer weiteren Schulschließung. Mein Chojna (1975) ist eine Stadt mit einer leeren Altstadt (öde, mit Gras überwachsene Viertel der früheren mittelalterlichen Bebauung), mit Ruinen der Pfarrkirche und des Rathauses, mit einem geöffneten sowjetischen Flughafen, einem Privatmuseum eines Apothekers aus Chojna, mit einem Möbelladen im Innern eines Arsenals aus dem 18.Jhd., mit geöffnetem Schwimmbad und der einzigen Kultureinrichtung, einer Bibliothek unter dem Dach des alten Magistratssitzes. Es war zu seiner Zeit eine fast ausgestorbene Stadt aber mit herrlichen Baudenkmälern.
Wenn auch der bis heute andauernde Aufbau der Altstadt ganz erheblich das Aussehen Chojnas verbessert hat, sind doch viele Dinge aus dem erwähnten Zeitraum beschädigt oder völlig aus der Kulturlandschaft der Stadt verschwunden. Ich denke da an die unersetzlichen Verluste der gedankenlosen Zerstörung von langen Fragmenten der Stadtmauer, die in den 70er Jahren noch standen (Nord- und Südteile), den Abriß des denkmalgeschützten Arsenals (es stand im Eck der sich kreuzenden Straßen Malarska und Piekarska), die Liquidierung der Straße Wieżowa, die Verwüstung des Schwimmbads und an die Fällarbeiten an der denkmalgeschützten Birkenallee.

Chojna hatte seine gute Zeit, aber sie nicht genutzt. Vergleicht man die Stadt mit anderen ähnlichen Orten, schneidet sie nicht besser ab. Betonpfeiler mit Oberlandleitungen und gebrochene Gehwegplatten aus Zement auf den Hauptstraßen der Altstadt stellen den früheren Stadtherren nicht das beste Zeugnis aus. Es ist zu sehen, daß die Stadt erst jetzt einen zweiten Anlauf nimmt. Die Erneuerung des Rathausplatzes in letzter Zeit, die Aussichtsplattform in der Kirche, die Wiederbelebung der Straßen Malarska, Klasztorna und Gassen an der Mauer (im Abschnitt Baszta Bociania - Baszta Więzienna) schaffen einen Eindruck des früheren historischen Stadtklimas. Chojna kommt langsam aus den fetten Jahren heraus, aus dem zeitweiligen Verschlucken von Mammon (als großes Geld an der Grenze gemacht wurde).
Jüngst sind neue Zeiten angebrochen, die Zeit der jungen und gebildeten Leute, die sich für ihren Wohnort und ihre lokale Identität interessieren. Das ist eine Zeit des Entdeckens einer bis dato nicht gekannten Geschichte der eigenen Stadt. Das, was während der Jahre nicht möglich war, als der Basar in Krajnik funktionierte, ist heute möglich. Die Tage der Europäischen Integration, Freundschaft und Toleranz, Treffen mit früheren Einwohnern Chojnas, durch den in Stettin wohnenden aber in Chojna geborenen Dr. R. Skrycki organisierte wissenschaftliche Treffen und Publikationen, die sich mit der früheren wie auch der Gegenwartsgeschichte der Stadt befassen – „Chojna und ihre Umgebung im Ablauf der Jahrhunderte“ bewirken, daß Chojna frühere Kulturdefizite wieder aufholt. Zum völligen Glück fehlen der Stadt und seinen Bewohnern noch die Gewohnheit sich um ihr Kulturgut zu kümmern (die genannte Stadtmauer), historische Monographien und ein MUSEUM.

Aber braucht Chojna ein - wie es jetzt so in der Mode ist - lebendiges Museum, wie die Poetin aus Chojna geschrieben hat [DoDoHa ist gemeint.]. Ein Chojna-Museum (man sollte nicht mit einem großen anfangen) sollte vor allem eine wissenschaftliche Einrichtung von internationaler Bedeutung sein (Museumsbibliothek, Ausstellungen: Archäologie von Chojna und Umgebung, die Anfänge Chojnas, Ritterorden und ihr Einfluß, der Ordensmeister Heinrich Brunsberg und seine Verdienste, Handwerk aus Chojna, Sakralkunst usw.). Solch ein Museum sehe ich (organisiert in Zusammenarbeit der Stadtverwaltung und des Prälaten Chodakowski) in den Gewölben des denkmalgeschützten früheren Augustiner-Klosters von Chojna.
Grzegorz Graliński
Strzelce Krajeńskie (Friedeberg NM)
("Gazeta Chojeńska" Nr. 11 vom 17.03.2009)


Kann sich Chojna derzeit ein Museum leisten, das es zweifellos verdient ...

Mit großer Beachtung las ich die von der "Gazeta Chojeńska" initiierten fortlaufenden Debatte über die Gründung eines Museum in Chojna. Ich möchte jedoch die Frage leicht verändern: Kann sich Chojna derzeit ein Museum leisten, das es zweifellos verdient ... .

Ich bin jemand, der Andenken an die Vergangenheit liebt und sie selbst mit Freude sammelt, und das nicht aus reiner Sentimentalität, sondern aus einem früh ausgeprägten Gefühl der Verantwortung für die Sicherung der Spuren der Geschichte für die Zukunft. Zum Jahreswechsel 2001/2002, als noch Wojciech Długoborski Bürgermeister war (heute ist er Vizebürgermeister von Chojna), entstand in Gryfino die programmatische und räumliche Konzeption für eine Wiederbelebung des Bahner Tores. Es geschah im Rahmen der Suche nach einer neuen kulturellen Einrichtung – einem Regionalmuseum, dem sogenannten Oder-Museum in Gryfino. Ich hatte die Ehre, in dem Gremium zu arbeiten, das die Konzeption entwarf. Es näherte sich jedoch das Ende der Amtszeit und nach 2002 befaßten sich die neuen Amtsinhaber nicht mit diesem Entwurf. Ich möchte auf den vorgeschlagenen Namen hinweisen. Als ich nämlich in der "GCh" einen sehr interessanten Artikel von Dr. Beata Halicka darüber las, daß „geplant ist, eine Ausstellung auf Dauer in Frankfurt oder Słubice unterzubringen, die damit eine Grundlage für das geplante Museum für die Oder darstellen würde" – hatte ich ein déjá vu Erlebnis.

Wir kümmern uns nicht um die Dokumentation der Erinnerungen
Warum glaube ich, daß die Ansammlung von Andenken aus Vergangenheit und Gegenwart für die zukünftigen Generationen so wichtig ist? Ich war einmal im Regionalmuseum in Bersenbrück. Es berührte mich dieser Ort, der mit großem Pietismus unterhalten wird. Die Deutschen dokumentieren und sichern laufend in dem Museum ihre Geschichte und Identität. Daß es im Landkreis Gryfino – dem flächenstärksten Landkreis unserer Wojewodschaft – 64 Jahre nach dem Krieg nicht ein einziges Regionalmuseum gibt außer Gedenkstuben über den Krieg in Cedynia, Siekierki und Gozdowice – ist furchtbar. Es zeigt sich, daß wir – ein Volk, das gerne über seinen Patriotismus und seine Wertschätzung gegenüber der Geschichte redet – sich in Wirklichkeit nicht um die Dokumentation der Erinnerungen unserer Vorväter und unserer eigenen kümmern. Wie viele offizielle und private Archive, Sammlungen von Andenken und Dokumenten gingen verloren – nicht in den Kriegswirren, sondern in ... Mülltonnen. Ich stimme völlig überein mit dem, was Matt Gerald schrieb: "Ein Museum ist nicht nur ein Ort der Ansammlung und des Schutzes des Kunsthandwerks, sondern auch ein Feld, auf dem ein für die Kultur grundlegender Konflikt ausgetragen wird zwischen der Nostalgie und der Zukunftsdynamik. Ein Museum ist die Quintessenz der Zukunft – hier wird die grundlegende Frage über die Form des öffentlichen Umgangs mit der Kultur geprägt".

Was sagt das Gesetz?
In Polen können Museen auf Grundlage des Museumsgesetzes vom 21.November 1996 durch Minister und Leiter von Zentralbehörden, von Einheiten der territorialen Selbstverwaltung und physischen Personen, von Rechtspersonen und Organisationseinheiten, die keine Rechtskörper sind, gegründet werden. In diesem Zusammenhang können auch (aber nicht nur) territoriale Selbstverwaltungen (Gemeinden, Landkreise und Wojewodschaften) Museen eröffnen. Die Museen der Selbstverwaltungen werden von ihnen gegründet oder übernommen. Die Betreiber eines Museums haben Pflichten: das Sichern von Mitteln für den Unterhalt und die Weiterentwicklung des Museums, die Sicherung der Bestände, die Kontrolle. Ein Museum ist eine Organisationseinheit, die nicht auf Profit ausgerichtet ist und mehrere Ziele hat: der Schutz der Kulturgüter, das Informieren über die Werte und Inhalte der gesammelten Bestände, die Verbreitung der Grundlagen der polnischen Geschichte, Wissenschaften und Kultur, aber auch die der Welt, die Bildung der sensiblen Erkenntnis und Ästhetik und den Kontakt mit den Beständen zu ermöglichen. Musealien sind bewegliche und unbewegliche Güter, die in das Inventar eingetragen werden, sie sind ein öffentliches Kulturgut.
Museen, die kommunale Kultureinrichtungen sind, können nur mit Museen verbunden werden, das heißt, wenn eine Kommune ein Museum eröffnet, kann es nicht institutionell mit einem Kulturhaus oder einer Bibliothek verbunden werden. Museen sind keine kommerziellen, d.h. auf Profit ausgerichteten Einrichtungen, dennoch ist der Eintritt für den Besucher kostenpflichtig (einen Tag in der Woche umsonst). In Einklang mit den Bestimmungen müssen Angestellte eines Museums bestimmte Anforderungen erfüllen, die der Kulturminister festgelegt hat. Sie bilden die Berufsgruppe der Museumsangestellten, zu denen Assistenten, Adjunkten, Kustoden und diplomierte Kustoden gehören.

Museen sind ein notwendiger Luxus
Es gibt so viele Gesetze, aber wie sehen die Realia vor Ort aus? Natürlich macht es keinen Sinn virtuelle Projekte anzustoßen, nicht rational ist auch das Nichthaben von allgemeinen Plänen zu „musealen” Visionen. Das reichere Gryfino hat sich nicht entschlossen, ein Museum ins Leben zu rufen, so daß man es sich schwer vorstellen kann, daß das sofort in Chojna möglich sein wird. Nicht umsonst deswegen, weil einige Stadtverordnete Chojnas zuletzt festlegten, daß das Budget der einzigen Kultureinrichtung vor Ort (das Kulturhaus mit der Bibliothek) um 100.000 PLN gekürzt werden soll. Also es ist schwer vorstellbar, daß sie sich entschließen würden, irgendwelches Geld für das Entstehen einer neuen Kultureinrichtung auszugeben. Das Museum wäre aber eine neue Kultureinrichtung. Es ist leicht, etwas ins Leben zu rufen, viel schwerer sind Finanzierung und Entwicklung. Die Kunst besteht nicht im Gebären, sondern im Großziehen. Ob eine Selbstverwaltung, deren Abgeordnete für eine Beschneidung der Ausgaben für Kultur und Werbung stimmten, es sich leisten kann, in diesem Augenblick eine neue Kulturstätte zu errichten, selbst wenn sie objektiv gesehen nötig ist? Vielleicht kann die Idee eines Museums durch den Landkreis Gryfino weitergeführt werden? Der Landkreis entledigt sich zwar seit zwei Jahren seinen Aufgaben (Altersheime, Sonder- und weiterführende Schulen, Kreisstraßen werden den Gemeinden übergeben), aber wer weiß, vielleicht möchten sich die Politiker des Landkreises sich einem neuen Anliegen verschreiben, wie es das Museum des Landkreises Gryfino darstellt? Natürlich können sich auch andere solch einer Mission verschreiben: NGOs, Firmen und Privatpersonen. Vielleicht könnte die Gemeinde helfen, indem sie geeignete Gebäude zu Verfügung stellt? In Polen arbeiten schon private Museen oder Galerien, zugänglich sind Bestände von Liebhabern der Geschichte und Kunst. Es existieren auch kommunale Kultureinrichtungen, die dank privater Stifter entstanden sind, z.B. das Städtische Spielzeugmuseum aus Beständen von H. Tomaszewski in Karpacz. Es ist wichtig, eine organisatorische Formel zu definieren, Stifter guter Ideen und Geldmittel zu suchen. Denn Museen sind ein notwendiger Luxus, der uns erlaubt, die Andenken an die Vergangenheit zu schätzen, damit weder sie noch wir von dem „Wunder des Vergessens“ heimgesucht werden – wie mein Lieblingssänger, Stanisław Sojka, es besungen hat.
Ewa De La Torre

Die Autorin ist ausgebildete Juristin. Über 10 Jahre war sie die Direktorin des Kulturhauses in Gryfino, 1999-2002 Stadt- und Gemeindesekretärin in Gryfino, 2002-2006 Landrätin von Gryfino. Als Vizevorsitzende wirkt sie seit 15 Jahren in der Chojna-Gryfinoer Vereinigung für ein Gemeinsames Europa. Sie hatte die Idee und setzte sie auch um, ein Polenweites Turnier der Volksmusiker, das Rocktreffen in Gryfino, die Gryfino-Tage, die deutsch-polnischen Musiktage, Der Magnolienlandkreis Gryfino zu organisieren und schuf den Gryfino Storch, der seit 2006 vom Landrat vergeben wird.
("Gazeta Chojeńska" Nr. 12 vom 24.03.2009)


Noch einmal zum Museum in Chojna

Ich fühle mich durch den Text von Ewa De La Torre ("GCh" Nr. 12) herausgefordert, der die Gründung eines Museums in Chojna betrifft. Ich möchte mich zu den dort aufgezählten Anmerkungen äußern. Ich beginne jedoch mit einer bitteren Erkenntnis, die bisherige Debatte zusammenfassend. An ihr haben sich (bis auf eine Ausnahme) nur Leute von außerhalb Chojnas beteiligt. Geschichts- oder Polnischlehrer, die ex definitione am meisten interessiert sein müßten – schweigen dazu. Die Stadtoberen – so scheint es – nehmen eine abwartende Haltung ein, was den übrigen Bewohnern nolens volens das deutliche Signal gibt, daß es sich nicht um „unsere” Initiative handelt. Sollte man in einer solchen Situation die Idee der Museumsgründung bis zu einem nicht genau festgelegten Zeitpunkt auf Eise legen? Die Frage bleibt offen.

Aus dem Text von Ewa De La Torre weht Pessimismus, wenn nicht Defätismus. Die Frage im Titel "Ob Chojna es sich leisten kann ...?" enthält schon selbst in sich die Antwort. Der diplomatische Zusatz "...das es bestimmt verdient" mildert nicht die Aussage. Laut der Autorin ist ein Museum Luxus, und in Gedanken setzt sie hinzu: den man sich nur in Zeiten des Wohlstands leisten kann. Also sollten wir auf das Abklingen der Weltwirtschaftskrise warten, nach der Chojna ohne Zweifel zum Wirtschaftstiger der Region heranwächst (den es schon einmal im späten Mittelalter war)? Ich habe nie behauptet, daß die Gemeinde die Kosten tragen sollte, die so eine Einrichtung verursachen würde. Es ist offensichtlich, daß man die Finanzierung durch EU-Mittel von außerhalb sichern müßte. Darüber hinaus könnte die Stadt, abgesehen von dem kulturellen Aspekt, konkrete Vorteile aus einer solchen Initiative ziehen. Wenn man das Museum z.B. im Gebäude des früheren Grenzschutzes (WOP) unterbringen würde, könnten von außen Mittel für die Umwandlung in ein Museum gewonnen werden, die einen erheblichen Anteil der Kosten an der Restaurierung stellen würden. Das betrifft auch andere Gebäude (z.B. auf dem Flughafen). Ist diese Alternative nicht besser, die Unterhaltung der Gebäude kostet doch Monat für Monat Geld? Mit Recht erkannte die Autorin, daß ein Museum eine Non-Profit-Institution ist, aber nicht alles sollte profitbringend sein. Es lohnt sich wichtigere und mehr universelle Werte in Betracht zu ziehen.
Ein Museum ist nicht nur Luxus. Es ist auch eine Notwendigkeit. Der Verfall der Denkmäler aus der Vergangenheit spielt sich vor unseren Augen ab, mit unserem Einverständnis, und häufig mit unserer Beteiligung: Das "Verschwinden" von drei Kirchenglocken aus dem 19.Jahrhundert in Mętno, von den Wänden abbröckelnde mittelalterliche Fresken in der Kirche von Mętno Mały, und Herrenhäuser im Zustand eines fortgeschrittenenVerfalls, deren neustes Beispiel das Schloß in Swobnica (Wildenbruch) ist. Hier sind von Institutionen durchgeführte Maßnahmen gefordert, hinter denen mit seinem Einfluß z.B. ein Museum stehen könnte, (weil sich wie zu sehen ist kein anderer dazu verpflichtet fühlt), und das die Liebhaber im ganzen Land mobilmachen würde, die oft das verbindet, daß sie irgendwann irgendwo mal durchgefahren sind, und als Nichtbetroffene nicht bis zum Ende verstehen, warum es notwendig ist.

Es fällt auch an, den Vorschlag abzuweisen, alternativ ein Museum für den Landkreis Gryfino zu gründen (was nicht bedeutet, daß ich gegen solch ein Museum bin, aber ich weiß nicht, wie es aussehen sollte). Und es läßt sich schwierig vorstellen, eine solche Institution in einem Stadttor unterzubringen, weil dann dieses wichtige Vorhaben in die Rolle einer Heimatstube zurückgestuft wird. Der Landkreis Gryfino ist eine geschichtliche Hybride, schwer wäre es, die Geschichte von zwei solch unterschiedlichen historischen Zentren zu verbinden, die lange Zeit in verschiedenen administrativen Strukturen lagen und später in unterschiedlichen Provinzen eines Staates, und aus ihnen ein zusammenhängendes und logisches Ganzes zu schaffen. Denn das Gros der Aufgaben eines Museums darin doch besteht, die Vergangenheit zu rekonstruieren und zu untersuchen (neben der Dokumentation der Gegenwart). So eine Dychotomie wäre sichtbar, und darüber hinaus wäre es sicher, daß das kleinere Chojna mit seinem Reichtum an Geschichte den Landkreis Gryfino ausblenden würde. Würde das den Politikern des Landkreises gefallen, wenn solche Akzente gesetzt werden würden, die sie selbst finanzieren?
Die Autorin schreibt auch über die Qualifikation der Angestellten und besser gesagt über die fehlende Qualifikation. Ich kann das nicht präzisieren, aber ich denke mir, daß es um Absolventen der Museumsstudiengänge geht. Im eifrig tätigen Museum in Stargard, dessen Aktivität ein Vorbild sein kann für andere Einrichtungen dieser Art, gibt es keinen einzigen Museumsangestellten dieser Bildungsrichtung. Ähnlich ist es in anderen Zentren. Überall besteht die Belegschaft aus Historikern, Kunstgeschichtlern oder Archäologen, also aus Disziplinen, die sich im Rahmen der Arbeiten eines Museums anbieten. Assistenten, Adjunkten, Kustoden sind Stufen in der Karriereleiter, die sich nach einem gewissen Zeitraum der Arbeit einstellen und leiten sich nicht von der Bildungsrichtung ab.

Wichtig ist der Gedanke im Artikel von E. De La Torre, daß der Beginn eines Museums eine gestiftete Sammlung sein kann. Ich kenne einige solche Beispiele, bei denen private Spenden den Grundstein für solch eine Institution gelegt haben und sie die Grundlage ihres Bestandes bildeten. Viele Male schon habe ich in verschiedenen privaten Gesprächen (und jetzt auch auf einem öffentlichen Forum) erklärt, daß ich meine Sammlung von Karten der Neumark (rund 100 Objekte) und meine praktisch komplette Sammlung von Ikonographien Chojnas (ca. 400 Positionen mit alte Bildern, Postkarten und Fotographien) stiften würden. Ergänzend dazu kämen ein Buchbestand und alle Sammlerstücke, die mit Chojna in Verbindung stehen (darunter ein Unikat, ein mittelalterlicher Dinar, der in Chojna geprägt wurde). Ich habe auch zu erkennen gegeben, daß man eine bestimmte „Nische” nutzen könnte (wie z.B. die Kartographie oder die Ikonographie über die Region), dank derer das Chojna Museum etwas Besonderes darstellen könnte mit überregionalen Bedeutung. Wenn wir dazu noch wissenschaftliche Forschungen hinzufügen würden, die in ihm oder unter seiner Regie durchgeführt würden, die sich nicht nur mit der Stadt befassen, sondern auch mit der früheren Neumark (denn an solchen Institutionen mangelt es derzeit) – dann hätten wir meiner Meinung nach eine Einrichtung, die eine Visitenkarte wäre für die Stadt und weder ihre Bewohner noch seine Politiker müßten sich dann für sie schämen.

Zum Schluß möchte ich dem Chefredakteur der "Gazeta Chojeńska" nahelegen, die Debatte um das Museum in Chojna zu schließen. In Anbetracht des vollständigen Mangels an Interesse der Bewohner und Politiker der Stadt könnte man denken, daß die Initiative mißlungen ist – zeitlich und räumlich. Als ein Prüfstein des Interesses der Bewohner an dem was sich in der Region ereignet, und an der Gestaltung der eigenen Identität wurde das „Chojna Jahrbuch“ ("Rocznik Chojeński") geschaffen, das eine geschichtlich-gesellschaftliche Schrift sein soll. Allerdings läßt die oben diagnostizierte Grundhaltung in diesem Fall nicht gerade mehr Optimismus erwarten.
Radosław Skrycki
Der Autor stammt aus Chojna und ist Vizesdirektor des Instituts für Geschichte und Internationale Beziehungen an der Universität in Szczecin. In der Nummer 44 der "GCh" vom 28.10.2008 begann er mit dem Text "Was für ein Museum braucht Chojna?" die Diskussion. (Die Meinungen aller Teilnehmer an der Diskussion sind auf der Seite www.gazeta.chojna.com.pl unter dem Link "Was für ein Museum in Chojna?" zugänglich.)

Ich hege die große Hoffnung, daß die Debatte über das Museum in Chojna noch nicht ganz geschlossen wurde und die Idee früher oder später auf Verständnis und Interesse der Bürgermeister und Ratsmitglieder stößt – der jetzigen oder zukünftigen.
Robert Ryss – Chefredakteur der "Gazeta Chojeńska"
("Gazeta Chojeńska" Nr. 13 vom 31.03.2009)


Die Geschichte eines gewissen Enthusiasmus

In der letzten Ausgabe der "GCh" las ich einen weiteren Beitrag von Radosław Skrycki zum Thema der Gründung eines Museums in Chojna. Der Text entstand, weil der Autor sich durch den Beitrag von Ewa De La Torre ("GCh" Nr. 12) angesprochen fühlte. Es macht sich daraus jetzt eine kleine Kette, weil ich mich wiederum durch den Text von R. Skrycki angesprochen fühle, obwohl ich weder Bewohnerin, noch Politikerin von Chojna bin. Ich habe weder in diesem Medium, noch in vielen Gesprächen mit Akteuren dieser Region einen Hehl daraus gemacht, daß ich den Enthusiasmus für diese Idee teile. Darüber hinaus wird in dem Artikel auch das "Rocznik Chojeński" (Chojna Jahrbuch) erwähnt, in dessen Redaktionskollegium Radek Skrycki mich eingeladen hat und dessen Einladung ich mit ebenso großem Enthusiasmus angenommen habe. Deshalb betreffen mich der Text, auf den ich mich beziehe, und die in ihm zum Ausdruck gebrachte Verbitterung persönlich. Diese Tatsache erlaubt mir genauso persönlich zu antworten: werter Radek [Skrycki], zum Enthusiasmus kann man niemanden zwingen, mit Enthusiasmus kann man jedoch andere anstecken. Sehr geehrte Politiker und Bürger Chojnas, sehr geehrte Bewohner des Unteren Odertals, mit Enthusiasmus kann man sich anstecken lassen, mit Enthusiasmus kann man sich bei vollem Bewußtsein anstecken lassen. Mit ihm kann man auch seine Gleichgültigkeit wegpacken, abwürgen und abtöten.

Wie auf Bestellung erschienen in der Zeitung "Gazeta Wyborcza" vom 28.-29. März zwei Texte. Im Artikel "Stolze Nation steht für die Wurst an” [Dumny naród stoi po kiełbasę]" schreibt Jarosław Kurski: "Der Spieleinsatz für das Beitrittsreferendum (zur EU – Anm. S. Keller) war das Sichern der für Polen seit 300 Jahren besten Konjunktur. Erinnern wir uns daran, daß der Kampf sich nicht zwischen den Gegnern und Anhängern des Beitritts abspielte, sondern zwischen denen, die hingegangen sind und denen, denen das völlig wurscht war. Nur dank einer intensiven Kampagne und dem Ausdehnen der Abstimmung auf zwei Tage, lieferte sich unser Volk eine heldenhafte Schlacht mit der eigenen Faulheit und überschritt die 50%-Hürde, die für die Gültgkeit des Referendums notwendig war, um nicht ganze 9 Prozent.". Der zweite Text ist ein Interview von Marcin Wojciechowski mit Timothy Snyder – Professor der Geschichte an der Yale University mit dem Titel „ Geißeln der Erinnerung“ ["Zakładnicy pamięci"]. Der Professor sagt dort u.a. : "In dem sie eine Geschichtspolitik praktizieren, treibt sich ein Teil der Polen selbst in eine Falle. Die Geschichte Polens ist so verlaufen, daß die Polen von den Deutschen oder Russen eine gewisse Sensibilität oder Achtung erwarten dürfen. Dazu braucht man keine Mythen zu schaffen. Schon deshalb, weil sonst unsere Feinde in Deutschland oder Rußland sagen, daß es sich nicht um Geschichtsschreibung handelt, sondern um Mythen. Geschichtliche Erzählungen, die sich in Richtung eines Mythos bewegen, kann man allzu leicht anfechten. (...) Die beste Polititk für den Umgang mit der Geschichte ist ein offener Zugang zu den Archiven, ein freies Forschen für Historiker und die Konfrontation verschiedener Ansichten".

Uns Polen, die in dem sogenannten „Zurückgewonnenen Land” geboren wurden, wurde zugewiesen, in einem echten Land der Mythen zu leben. Nehmen wir die Herausforderung des Schicksals mit Würde und Demut zugleich an. Laufen wir nicht weg vor ihr, verstecken wir uns nicht hinter der täglichen Jagd nach der Wurst. Die Kultur ist das, was das Menschsein ausmacht. Seien wir Menschen nicht nur zu besonderen Anlässen – sprechen wir über ein Museum! Denn wir Polen aus dem „Land der Mythen” haben es mehr nötig, Museen zu haben und solide arbeitende Historiker als den Polen aus der Region des tausendjährigen Polens.

Ich beginne ein Gespräch mit Andrzej Jermarczyk – dem Vorsitzenden des Klub Przyrodników (Klub der Naturfreunde) aus Świebodzin.

Saba Keller: - Bitte stellen sie uns die Arbeit des Vereins vor.
A. Jermarczyk: - Der Klub Przyrodników arbeitet im Bereich des Naturschutzes und der Umweltbildung. Außer dem Büro in Świebodzin besitzt er noch zwei Filialen: die Ökostation in Owczary bei Górzyca und das Naturkundemuseum in Kostrzyn. Beide liegen im Lebuser Land, in geringer Entfernung voneinander (11 km) und arbeiten eng zusammen. Das Museum in Kostrzyn ist vor allem eine naturkundliche Austellung. Dort ist aber auch ein von uns geführter touristisch-naturkundlicher Infopunkt angesiedelt, ein naturkundlicher Buchladen (der auch Versandverkauf betreibt) sowie ein Fahrradverleih. Die Station in Owczary führt neben der Ausstellung des Wiesen-Museums auch eine touristische Herberge und realisiert eine Reihe von Projekten zum Schutz der Agrarlandschaft. In den Jahren von 1990-2000 besaß der Klub auch eine Umwelteinrichtung in Bogdanka bei Drawno. 2001 wurde das Objekt vom Drawieński Nationalpark übernommen und verfällt seit dieser Zeit und dient nur im Sommer als gastronomischer Stützpunkt.
- Ist der Klub Przyrodników ein Verein mit Gewerbeanmeldung? Wie viele Beschäftigte hat er?
- Ja, der Klub führt ein Gewerbe, was 1/4-1/3 unserer Einnahmen erwirtschaftet. Es handelt sich dabei hauptsächlich um eine Gutachtertätigkeit, wir erarbeiten verschiedene Dokumentationen, Pläne zum Schutz von Schutzgebieten u.ä., aber auch um Arbeit in der Station in Owczary, die darin besteht ein Bildungsangebot für Ausflüge anzubieten, sowie Übernachtungen und Publikationen zu verkaufen. Der Verein ist der Besitzer oder verfügt zusammen über rund 100 ha Erde, für 35 ha erhält er EU-Zuschüsse aus dem Agrarumwelt-Programm. Die Station und das dazugehörige Wiesenmuseum kommen selbst für ihren Unterhalt auf, dort sind zwei Personen beschäftigt. Im Museum in Kostrzyn ist eine Person mit vollem Etat angestellt und eine mit einem halben. Außerdem realisiert der Klub Przyrodników und sein Büro in Świebodzin zahlreiche Programme, die durch verschiedene Quellen finanziert werden. Zeitweise muß man eine der Einrichtungen durch Projektmittel unterstützen, aber das ist selten. Im Großen und Ganzen kommen wir gut zurecht und sind unabhängig.
- Wie entstanden die Filialen? Wer ist der Eigentümer der Gebäude?
- Notarieller Eigentümer der Immobilien und des Ackerlandes ist der Klub Przyrodników. Wir kauften sie für den sprichwörtlichen einen Appel und ein Ei. Als wir sie übernommen haben, waren es Ruinen, die dank Zuwendungen des EkoFunduszu, DBU und des WWF renoviert wurden.
- Unterstützt die Selbstverwaltung die Arbeit des Museums?
- Derzeitig eigentlich nicht, außer gelegentlichen kleinen Zuwendungen, die etwa 1-2 % der Ausgaben aufwiegen.
- Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Schulen?
- Recht regelmäßig arbeiten wir mit ein paar Dutzend zusammen, die jedes Jahr Gruppen auf einen Ausflug oder ins Ferienlager schicken, außerdem besuchen die Station ein paar Dutzend andere Gruppen. Man kann jedoch nicht von Dauerverträgen sprechen. Jährlich besuchen uns 40-50 Busreisegruppen, die jeweils um die 40 Personen umfassen. Eine große Konkurrenz stellt für uns das Bildungsangebot der Nationalparke oder der Staatlichen Wälder dar, die bei sich kostenlose Unterrichtsstunden anbieten. Wir müssen dagegen eine Gebühr erheben, bemühen uns aber, daß unser Angebot so spannend ist, daß es Interessierte anspricht.
- Was für einen Rat können Sie denjenigen mit auf den Weg geben, die ein Museum gründen wollen – ein lebendiger und wichtiger Ort für die Region und ihre Gesellschaft?
- Wenn es nur ein kleines Regionalmuseum werden sollte, glaube ich nicht, daß es sich ohne Hilfe der Kommune unterhalten ließe. Im Falle von nur einer beschäftigten Person entstünden Kosten in Höhe von 30-40.000 PLN jährlich. Wenn jedoch eine einfallsreiche Person, ein guter Manager, das Museum betreiben würde, hätte es durch 10-12.000 Besucher im Jahr und ein interessantes Bildungsangebot, also durch die Durchführung von Unterricht, für die der Eintritt teuer wäre, eine gute Chance, sich zum großen Teil selbst zu unterhalten. Es lohnt sich auch, sich einen guten Partner zu suchen. Ich war vor kurzem im Kranich-Museum in der Nähe von Stralsund, das durch die Lufthansa finanziert wird. Sie haben eine interessante Ausstellung und ziehen eine große Zahl von Besuchern an. Alles hängt von einer interessanten und gut durchdachten Konzeption ab. Auf alle Fälle wünsche ich den Initiatoren alles Gute.
- Vielen Dank für das Gespräch, die Wünsche leite ich gerne weiter.
Saba Keller - Widuchowa
("Gazeta Chojeńska" Nr. 14-15 vom 07.04.2009)


Braucht Chojna ein Museum?

Seit Oktober 2008 erschienen in der Gaseta Chojeńska unter dem Leitthema "Was für ein Museum braucht Chojna?" einige Diskussionsbeiträge mit interessanten Gedanken, die ich alle mit Interesse gelesen habe. Ich selbst leite seit fast 32 Jahren das 1889 gegründete Oderlandmuseum in Bad Freienwalde, das sich als Regionalmuseum für die Kurstadt Bad Freienwalde, das Oderbruch und die angrenzenden Gebiete versteht. Dieses Museum ist ganz wesentlich aus bürgerschaftlichem Engagement hervorgegangen und hat seit 1952 sein Domizil in einem ehemaligen adligen Freihaus am Bad Freienwalder Marktplatz. Die Arbeit des Museums ist in erster Linie darauf gerichtet, das Identitätsbewusstsein der Menschen, die in der Region leben, zu fördern, das geschichtliche und kulturelle Erbe zu bewahren sowie dieses Erbe als unverwechselbares Bildungsgut öffentlich zugänglich zu machen. Den Touristen, die das Oderland besuchen, bietet es einen Überblick über die wesentlichen Aspekte der Regionalgeschichte und der landschaftlichen Besonderheiten.
Diese Arbeit ist langfristig orientiert und immer auch von den jeweiligen Rahmenbedin-gungen abhängig. Dazu zählen der politische Wille zum Unterhalt der Einrichtung, die Bereitstellung der nötigen Personal- und Betriebskosten und das bürgerschaftliche Engagement, das bei uns über einen Freundeskreis und eine privatrechtliche Stiftung gebündelt wird.

Ein solches Museum kann ich mir auch für Chojna vorstellen. Mit dieser Stadt bin ich seit Jahren eng verbunden, indem ich mich mit deren Geschichte beschäftige und als Vorstandsmitglied der deutsch-polnischen Stiftung Marienkirche meinen Teil dazu beitrage, dieses imposante Baudenkmal wieder aufzubauen.
Chojna, das einstige Königsberg, hat trotz nachhaltiger Kriegszerstörungen noch immer viel von seinem historischen Erscheinungsbild bewahrt. Dazu zählen die beiden Tortürme, die erheblichen Reste der Stadtmauer, das einstige Augustinerkloster, das wieder aufgebaute gotische Rathaus und nicht zuletzt die Marienkirche mit dem dritthöchsten Kirchturm in ganz Polen. Mit diesen Pfunden, die auch touristische Anziehungspunkte bieten, wie z. B. die Aussichtsplattform auf dem Marienkirchturm, muss man wuchern. Damit kann man bei geschicktem Marketing viele Gäste locken, die ohnehin schon jetzt die Stadt besuchen. Diese Besucher wollen sich informieren können, nicht nur über die Stadt, sondern auch über die umgebende Landschaft, um sich gezielt auf Entdeckungsfahrt zu begeben. Insofern ist dringend zu empfehlen, dass alle Präsentationen und auch das begleitende Schrifttum auf polnisch und auf deutsch verfasst werden.

Herr Dr. Skrycki hat sich bereit erklärt, seine Sammlungen von Karten und anderen Quellen zur Geschichte Chojnas als Grundstock für ein neues Regionalmuseum in Chojna zu stiften. Dafür sollte man ihm schon jetzt danken, denn das wäre ein guter Anfang. Frau Dr. Halicka möchte mit diesem Museum die Lücke im Begreifen der Region als Ganzes schließen. Dem kann ich mich vorbehaltlos anschließen. Chojna war eines der Zentren der historischen Neumark und als Königsberg lange Zeit Hauptstadt des gleichnamigen Kreises. Diese historische Region muss neu im Bewusstsein der heute Lebenden verankert werden, damit die Kenntniss darüber Identität stiftend wirken kann. Deshalb sollten sich Forschung, Sammlung und Präsentation des neuen Museums ohne Scheu und vor allem unter Fortlassung aller Geschichtsmythen und ideologischen Rechtfertigungsversuche der Frühgeschichte von Stadt und Landschaft, der Jahrhunderte langen deutschen Geschichte, den Umständen und der Vorgeschichte der tiefsten Zäsur in der Stadtgeschichte im Jahre 1945, Flucht und Vertreibung der Deutschen, dem Prozess der Neubesiedlung von Stadt und Land durch polnische Bewohner, dem Wandel im Alltagsleben der Deutschen und Polen im jeweiligen Zeitkontext, dem Wiederaufbau und auch mit den administrativen Strukturen und ihren Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte widmen. Dafür ist die Zeit reif. Sie drängt geradezu, weil sowohl die deutschen als auch die polnischen Zeitzeugen für die letzten 80 Jahre bald nicht mehr befragt werden können.

Sehr zu begrüßen ist auch der Vorschlag von Frau Dr. Halicka, von Anfang an so zu planen, dass sich das künftige Museum in ein Netzwerk von Museen und touristischen Attraktionen diesseits und jenseits der Oder einpasst. In einem solchen Netzwerk wird Chojna schon allein wegen der beiden Hauptattraktionen, der Marienkirche und dem Rathaus, eine bedeutende Rolle spielen. Auch ich fände es außerordentlich begrüßenswert, wenn sich zu diesen Architekturdenkmälern eine von Fachleuten erarbeitete, fundierte Museumspräsentation gesellen würde, deren inhaltliche und didaktische Gestaltung einen hohen Bildungs- wie Informationswert besitzt.

Kommen wir noch einmal auf Herrn Dr. Skrycki zurück. Man muss ihm Recht geben, dass erst einmal ein Anfang gemacht und vielleicht als erstes die historische Neumark im Kartenbild vorgestellt werden sollte. Gleichzeitig wäre es sinnvoll, den Wandel im Erscheinungsbild von Stadt und Land über die letzten 400 Jahre mit bildlichen Darstellungen zu veranschaulichen. Selbstverständlich muss auch ein Ort gefunden werden, wo eine solche Ausstellung für längere Zeit stehen und betreut werden kann.
Das von Herrn Skrycki beklagte, noch unzureichende Interesse bei den Stadtpolitikern und den meisten Stadtbewohnern an einem solchen Projekt sollte nicht zur Mutlosigkeit führen. Ein solches Interesse wird nur langsam wachsen und erst dann in tatkräftige Unterstützung münden, wenn der Nutzen eines Museums für Bewohner und Gäste der Stadt sichtbar wird.
Bei den Einheimischen wird es auf Dauer nur einen harten Kern geben, der das Museum nach Kräften unterstützt. Bürgermeister und Rat sollten die fundierte Präsentation der Geschichte von Chojna und der weiteren Umgebung zu einem politischen Ziel erheben, denn damit stärken sie die Identität ihrer Stadt und fördern das allgemeine Bewusstsein für deren unverwechselbare Besonderheiten. Jeder Besucher von Chojna aber, der sich unkompliziert und leicht zugänglich einen Überblick über die Geschichte von Stadt und Umland verschaffen will, wird sich über das Museum freuen. Insofern wird es die Attraktivität der Stadt als touristischen Anlaufpunkt erhöhen. Im Hinblick auf die Zukunft entsteht mit einem modern geführten Museum ein Identität stiftender Ort, in dem das geschichtliche Erbe von Chojna und der umgebenden Region bewahrt wird, und zwar möglichst vollständig und auf wissenschaftlicher Grundlage.

Wenn sich eine Initiativgruppe gebildet hat und die ersten konzeptionellen Gedanken formuliert werden, wäre ich bereit, beratend daran mitzuwirken, wenn es gewünscht wird.
In jedem Fall würde ich mich freuen, wenn sich die Idee von Herrn Dr. Skrycki, in Chojna ein neues Regionalmuseum zu gründen, über einen nicht zulangen Zeitraum Schritt für Schritt verwirklichen ließe.

Dr. Reinhard Schmook - Volkskundler (Ethnograph), seit 1977 Leiter des Oderlandmuseums Bad Freienwalde, außerdem Kastellan des Schlosses Freienwalde mit der darin befindlichen Walther-Rathenau-Gedenkstätte; Vorstandsmitglied der deutsch-polnischen Stiftung Marienkirche Chojna-Königsberg/Neumark, ein Gemeinschaftsprojekt zum Wiederaufbau dieses europäischen Baudenkmals; 1998 Mitautor einer deutsch-polnischen Wanderausstellung mit dem Titel "Die Oder als Kulturlandschaft"; Volkskundliche und regionalgeschichtliche Studien zum Oderland einschließlich der historischen Neumark, dazu einschlägige Publikationen
("Gazeta Chojeńska" Nr. 19 vom 12.05.2009)

2020 ©  Gazeta Chojeńska